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Grosse Faszination für kleine Pfeile

Noch vor Jahren belächelt, zieht Darts heute Massen an: Millionen verfolgen die WM, Stefan Bellmont wird zum Schweizer Shootingstar – auch in Uri wächst die Szene. Thomas Indergand, ein Urner mit grosser Steeldarts-Leidenschaft, zeigt, wie der Sport die Schweiz erobert. Selbst mit gebrochenem Arm warf er sich seinem Ziel – die Top-16 der Swiss Darts Corporation – einen Schritt näher. Ein Porträt über Triple 20, mentale Stärke und den Hype, der erst begonnen hat.


Thomas Indergand ist wohl der beste Startspieler in Uri.


Marius Gisler


Darts – einst als Kneipensport belächelt – hat sich zum wahren Publikumsmagneten entwickelt. Beim letzten WM-Finale schalteten 3,1 Millionen Zuschauer den deutschen Sender Sport1 ein – mehr als doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Auch in der Schweiz ist der Hype spürbar: Stefan Bellmont schrieb mit seiner WM-Qualifikation Geschichte. In Basel fand das erste PDC-Grossturnier statt. Und seit 2021 organisiert die neu gegründete Swiss Darts Corporation (SDC) landesweit Turniere mit bis zu 250 Teilnehmenden.


Mitten in diesem Aufschwung steht Thomas Indergand aus dem Kanton Uri. Der gelernte Maurer spielt seit zwei Jahren auf der nationalen Tour mit und beweist, dass grosse Würfe auch aus kleinen Tälern kommen können. Seine bislang grössten Erfolge sind Rang 24 im Klassement der letzten Saison sowie ein Einzug ins Achtelfinale eines Turniertages.


Die Schweiz im Wachstum


Das Niveau der SDC sei hoch, sagt Thomas Indergand. Das UW begleitete ihn an einen Turniertag in Sursee Mitte Mai. Nicht nur die besten Schweizer – allen voran Shootingstar Stefan Bellmont – sondern auch zahlreiche Halbprofis aus Deutschland treten regelmässig bei den Turnieren an. «Deutschland hat zwei bis vier Spieler, die ganz oben mit dabei sind. In der Schweiz liegt der Fokus bislang noch auf Stefan Bellmont», sagt Thomas Indergand im Auto auf dem Weg zur heutigen Spielstätte. Doch das sei erst der Anfang. Auch wenn die Schweiz im Vergleich zu Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt, wächst das Interesse stetig – auf nationaler wie auf lokaler Ebene. «Dank Bellmont ist die Schweizer Szene weiterhin am Wachsen. Er hat den nächsten grossen Schritt geschafft, was viele anspornt.»


Dart-Szene Uri


Auch in Uri sei das Wachstum deutlich spürbar, meint Thomas Indergand. «Es gibt viele kleine Dart-Gruppen in Uri», weiss er. «Erst wenn man ein wenig in den Dart-Kreisen verkehrt, merkt man, wie gross der Sport wirklich ist.» Ein Steeldart-Verein soll künftig die vielen kleinen Gruppen zusammenbringen. Anfang des Winters soll auch das erste grosse Turnier in Uri stattfinden.


Doch auch schon vor dem grossen Turnier treffen sich die Urner Gruppen immer wieder zu kleineren Wettkämpfen. Auch Thomas Indergand organisiert solche Turniere – zirka viermal im Jahr. In seinem Büro im eigenen Geschäft stehen ohnehin schon drei Dartscheiben fest installiert. Denn zweimal die Woche treffen sich hier seine Freunde, um nach dem Feierabend die Pfeile fliegen zu lassen.


An anderen Tagen spielt Thomas Indergand zu Hause mit der «Scolia» online gegen andere Gegner. Scolia ist ein intelligentes Dart-Tracking-System, das den Score automatisch erfasst und Onlineduelle mit gleich starken oder KI-Gegnern ermöglicht – inklusive Turnieren und detaillierten Statistiken. «Ich spiele fast jeden Tag», sagt Thomas Indergand, während er seine Pfeile schärft. Mittlerweile sind wir in der Turnhalle in Sursee angekommen. Die fast 150 Teilnehmer sind sich an den 32 aufgestellten Scheiben bereits am Aufwärmen. Noch gut 1 Stunde bis zum Turnierstart. «Theoretisch darte ich in jeder freien Minute», fügt Thomas Indergand hinzu.


Wenn in Uri ein Turnier ansteht, kommen schnell rund 32 Urnerinnen und Urner zusammen. «Jährlich spiele ich zirka sechs oder sieben Turniere in Uri», schätzt Thomas Indergand.

Auch in Uri lassen sich Trophäen gewinnen. Thomas Indergand spielt zirka sieben Turniere pro Jahr in Uri.
Auch in Uri lassen sich Trophäen gewinnen. Thomas Indergand spielt zirka sieben Turniere pro Jahr in Uri.

Steeldarts versus Softtips


Schon früh kam er mit dem Sport in Berührung. «Früher spielte ich oft in den Beizen. Damals noch mit Softtips am Automaten», sagt Thomas Indergand, während er zum Aufwärmen Pfeile wirft. Zur Erklärung: Bei Softdarts sind sowohl die Spitze als auch das Board aus Kunststoff. Bei Steeldarts ist die Spitze aus Metall und das Board meist aus Naturfaser.

Der Unterschied mag für Nichtspieler gering erscheinen, doch Thomas Indergand zieht da eine klare Grenze. «Softtips sind Kinderspielzeug», sagt er und lacht. Das Blinken der Automaten und die Töne sind nichts für ihn. Auch das Rechnen gehöre zum Darts dazu, was der Automat für den Spieler erledigt. Hinzu kommt: Die Variation, wie man sich seinen Pfeil zusammenstellen kann, ist bei Softtip-Darts deutlich kleiner. «Bei Steeldarts gibt es unzählige Kombinationen, wie sich der Pfeil zusammensetzen kann.» Hauptfaktor sind da das Gewicht, die Form des Pfeils und die Spitzen. «Softtips sind gemacht für die Kneipen, Steeldarts ist Sport», fasst Thomas Indergand zusammen. Es habe Zeiten gegeben, da habe er immer und immer wieder etwas an den Pfeilen verändert, sagt Thomas Indergand. «Nun habe ich eine für mich passende Kombination gefunden.»


Average als Messlatte


Der Umstieg auf Steeldarts erfolgte durch die «Darts-WM im Zwyerhaus» – sein erstes Turnier. Das war gleichzeitig der Startschuss für seine Darts-Karriere. Seitdem nimmt der «Average» stetig zu. Der Average sagt viel über das Niveau aus. Gemessen wird die durchschnittliche Zahl, die mit drei Pfeilen geworfen wird. Bei Profis spricht man ab 100 von einem guten Durchschnitt. Thomas Indergand spielt normalerweise einen Average von 70, doch manchmal geht auch deutlich mehr. «Spiele mit einem 90 plus Average bleiben in Erinnerung. Wenn man den Rhythmus findet, ist alles möglich», sagt Thomas Indergand. Doch wie ein berühmtes Darts-Sprichwort sagt: «Triple is funny, Double makes the Money.» Soll heissen: Auch ein guter Average ist nichts wert, wenn man am Schluss das Doppelfeld nicht trifft.


Kaum zu glauben, aber beim Fotoshooting warf Thomas Indergand schon nach wenigen Sekunden das Maximum. Eine Seltenheit ist das längst nicht mehr.
Kaum zu glauben, aber beim Fotoshooting warf Thomas Indergand schon nach wenigen Sekunden das Maximum. Eine Seltenheit ist das längst nicht mehr.

Unerklärbare Faszination


Es sei schwer zu beschreiben, was am Dartsport so fasziniert, findet Thomas Indergand. «Es ist sicher ein total mentaler Einzelsport.» Mentale Stärke sei das A und O, sagt er. «Vor allem bei Turnieren wird der grösste Teil im Kopf und nicht mit der Hand gespielt.» Ein kleines Zittern in der Hand, und der Pfeil landet um einige Zentimeter daneben. Zentimeter klingt zwar nach wenig, doch im Dartsport machen gar Millimeter den Unterschied.


Ein Alterslimit kennt Darts dagegen nicht. «In jedem Alter kann man gleich gut sein», sagt Thomas Indergand. Zudem sei es ein belohnendes Gefühl, wenn man merkt, dass man immer besser wird. Doch die Luft nach oben ist endlos. «Nicht mal Profis erreichen das perfekte Spiel. Am besten funktioniert es, wenn man alles ausblenden kann und seinen Flow findet.» Doch die Mentalität zu trainieren, sei schwerer als der Wurf selber. «Mentale Stärke kann man nur durch Erfahrung trainieren. Im Training oder im Spiel gegen Freunde fehlt die direkte Anspannung, die man beim Turnier verspürt», sagt Thomas Indergand.


Eine starke schwache Hand


Wie sehr das Mentale der entscheidende Faktor ist, erläutert Thomas Indergand mit einer Geschichte. Denn letztes Jahr brach er sich beim Skateboarden den Arm, unglücklicherweise war es sein Wurfarm. Doch schon wenige Wochen später konnte Thomas Indergand auch mit schwacher Hand mit den Besten seines Dartkreises mithalten. «Es fühlte sich falsch an, mit links zu werfen. Doch zu dieser Zeit konnte ich einfach nicht ohne Darts sein.» Also habe er es versucht, und es habe funktioniert. Auch die SDC-Turniere spielte Thomas Indergand mit der schwachen Hand weiter – und erreichte sogar die K.-o.-Runden. «Ich spürte den Frust meiner Gegner», sagt Thomas Indergand und lacht. In derselben Saison schloss er auf Platz 24 ab. «Ich traf im Turnier sogar auf Stefan Bellmont», erinnert er sich. Dieser war jedoch leider nicht zu bezwingen.


Mit Teilzielen zum Erfolg


Thomas Indergands Ziel ist es, die Rangliste weiter zu erklimmen. «Mit Platz 16 bei der SDC wäre ich zufrieden», sagt Thomas Indergand. Um im Dartsport besser zu werden, sei es wichtig, sich immer wieder Teilziele zu setzen. Das grosse, langfristige Ziel ist jedoch, sich in zwei bis drei Jahren für die Qualifikationen der ganz grossen internationalen Turniere zu empfehlen.


Am Turniertag in Sursee kam Thomas Indergand diesem Ziel jedoch nicht näher. In einer starken Gruppe schied er bereits nach der Vorrunde aus und rutschte ins B-Turnier – jenes für die Ausgeschiedenen. Dort spielte er den höchsten Average des Tages und erreichte das Viertelfinale – zumindest ein Teilerfolg. Doch Thomas Indergand weiss, dass es im Darts nicht immer nach Plan läuft. «Heute fand ich den Flow erst spät. Aber auch gegen richtig starke Gegner ein Leg zu holen – vergleichbar mit einem Game im Tennis – ist ein Erfolg und spornt an.»


Sicherlich nicht das beste Resultat – aber auch das gehört dazu. Die Richtung stimmt, der Wille ist ungebrochen. Und mit jedem Pfeil, der die Triple 20 trifft, rückt das nächste Ziel ein kleines Stück näher.

 
 
 

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