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Subtile Magie der Prokrastination

Aktualisiert: 4. Juni

Marius Gisler


Ah, Prokrastination – die unbesungene Heldin der modernen Welt. Du weisst, dass du etwas erledigen musst, aber plötzlich scheint der Staub im Zimmer das dringendere Problem zu sein. Warum? Weil der Mensch immer etwas findet, das weniger nervt als das, was er wirklich tun muss.


Doch mit dem nötigen Zeitdruck und einer Prise Panik passiert etwas Wunderbares: Im Kopf kippt ein Schalter um, und man wird zum Superhelden der letzten Minute. Mit einer Kombination aus Wahnsinn, Adrenalin und einer Portion Kaffee, die ein totes Pferd wecken würde, ist die Aufgabe in rekordverdächtiger Zeit erledigt – ein Meisterwerk der Improvisation! Und genau das ist die Superkraft der Prokrastination: das Gefühl, am Ende doch noch alles irgendwie hinzubekommen.


Ein Beispiel: Die Deadline für meine Arbeit ist nächsten Freitag. Um für einmal frühzeitig zu beginnen, habe ich den ganzen Samstag frei gehalten, auch, da ich bereits von Donnerstag auf Freitag und von Freitag auf Samstag verschoben habe. Doch nun ist Samstag, und was passiert? Plötzlich stört die Unordnung im Bücherregal – so kann man doch nicht arbeiten! Nach ausführlicher Putz-Pause ist nicht nur das Regal, sondern das ganze Zimmer blitzblank, und meine Arbeit … noch unberührt.


Der Radius des Putzteufels weitet sich schon bald vom Zimmer auf die gesamte Wohnung aus und raubt mir die Kraft – ich brauche einen wohlverdienten Kaffee, danach aber an die Arbeit, denke ich mir.


Zum Kaffee schalte ich den Fernseher ein, das Spiel meiner Mannschaft fängt erst in einer Stunde an. Also rumzappen, heute ist einfach alles interessant. Nur ungern unterbreche ich die Doku über Pilze – viel spannender als man denkt – und wechsle zum Fussball. Nach 90-minütigem Mitfiebern will ich das Gefühl des Siegs gleich auf mein Projekt übertragen – nach einem weiteren Kaffee. Kaum in der Küche angekommen, meldet sich der Hunger. Hungrig kann man nicht arbeiten, oder? Kurzerhand zaubere ich ein Drei-Gänge-Menü auf den Tisch, zu welchem mir sonst immer die Zeit gefehlt hat.


Zum Essen könnte ich die Pilz-Doku zu Ende schauen, und zack – schon ist es 21.00 Uhr. Mein Telefon klingelt, und ein Freund fragt nach einem Bier. Wieso nicht, morgen ist ja auch noch ein Tag. Hoch lebe die Prokrastination!



 
 
 

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